Wie deutsche Medien Escorts wirklich darstellen: Stereotype, Skandale und Realität

Wie deutsche Medien Escorts wirklich darstellen: Stereotype, Skandale und Realität

Der Blick auf Escorts in deutschen Medien ist eine kleine Zeitreise durch Vorurteile, Fantasien und die wohl unbequeme Realität. Plötzlich läuft in der ARD eine Talkshow, in der die Gäste kichern, wenn der Begriff Escort fällt. Die Schlagzeilen in den Boulevardblättern? Die gleichen Klischees, Jahr für Jahr: sündige Versuchung, düstere Hinterzimmer, das schnelle Geld. Doch kaum jemand näherte sich je so richtig dem echten Alltag einer Escort-Dame in Deutschland. Ist das ein Zufall oder kalkuliertes Kalkül? Eigentlich kann man in einem beliebigen Jahr eine Google-Bildersuche starten und findet direkt: Viele knappe Outfits, schummrige Hotelzimmer, lasziv blitzende Augen. Aber stimmt dieses Bild mit der Lebensrealität überein?

Typische Darstellungen von Escorts im deutschen Fernsehen und Kino

Schon in den 1990ern brachte das Privatfernsehen Formate wie “Tausche Frau gegen Bares” (RTL 2), später Dokus wie “Eva Blond – das wahre Leben der Callgirls” (ProSieben). Die Gäste in „Talkshows“ waren meist Modelmaße, groß, glamourös, mit bisschen Diven-Charme – und standen unter dem ständigen Verdacht, etwas zu verbergen. Kaum eine Produktion zeigte die Arbeit als Escort als etwas Alltägliches, von Menschen, die einfach ihren Job machen. Die gängigen Erzählmuster: Frauen tun das, aus Geldnot, weil sie eine dunkle Vergangenheit haben oder weil sie süchtig nach Luxus und Aufmerksamkeit sind. Bei Männern werden die Beweggründe fast nie hinterfragt, sie sind einfach die „Kunden“, ‘die es nötig haben’.

Viele Serien und Filme verwenden Escorts als Plot-Twist: Machen wir uns nichts vor – selten wird einer Figur echtes Mitgefühl entgegengebracht, wenn sie aus so einer Branche kommt. Man nimmt die Figur nie wirklich ernst, weder als Freundin noch als Business-Frau. Längst überholte Stereotype bestimmen oft das Bild. Das liegt auch daran, dass populäre Werke wie „Pretty Woman“ (ja, ich weiß, Hollywood!) auch hierzulande immer wieder als Vergleich herangezogen werden. Doch das klischeehafte Märchen aus Los Angeles wirkt wie aus einer anderen Galaxie, verglichen mit dem deutschen Alltag.

Wenn deutsche Medien sich an kritische Stoffe wagen, dann meistens aus der Distanz: Das ZDF zeigte die Miniserie „Unterm Radar“, in der Escortservice als Synonym für Kriminalität, Drogen oder Menschenhandel herhalten muss. Eine gesellschaftlich reflektierte Darstellung, etwa wie in der BBC-Serie „Secret Diary of a Call Girl“, findet man in Deutschland so gut wie nie. Fakt ist: Laut einer Studie der Deutschen Aidshilfe aus dem Jahr 2020 geben 67% der befragten Sexarbeiterinnen an, in Reportagen eher als Opfer oder Gefahrensymbol gezeigt zu werden – statt als Menschen mit Herausforderungen, Witz und Alltagssorgen.

Table: Beispiel für wiederkehrende Darstellungen in Film und Fernsehen (1995-2022)

ProduktionGenreJahrDarstellung
Tausche Frau gegen BaresReality/Doku1998sensationalisiert, problemorientiert
Eva BlondDrama2004Glamourös, mysteriös
Unterm RadarKrimi2015kriminelle Verstrickung
LovergirlsDoku2018persönlich, Alltag aber oft Opferrolle

Stereotype und ihre Wirkung auf das gesellschaftliche Bild von Escorts

Die gebetsmühlenartig wiederholten Stereotype prägen. Kaum jemand denkt beim Wort Escort an eine Studentin mit Nebenjob, eine alleinerziehende Mutter oder gar den Familienvater, der als Escort arbeitet. Stattdessen feiern Trash-TV-Formate wie „Berlin – Tag & Nacht“ die Laszivität. Reality-Formate zeichnen ein Bild von Frauen, die immer verfügbar sind, sozial isoliert und irgendwie immer Opfer oder Täterin – der Mittelweg fehlt oft. Wenn das Wort Escort in den Nachrichten auftaucht, dann meistens im Zusammenhang mit Skandalen, Drogen oder Polizeirazzien. Was macht das mit dem Bild im Kopf?

Kein Wunder also, dass sich laut einer Ipsos-Umfrage von 2023 nur rund 11 Prozent der Deutschen vorstellen könnten, eine „professionelle Begleitung“ zu buchen – oft aus Angst vor Stigma und Vorurteilen. Es gibt auch wenig authentische Einblicke in das spannende Spektrum an Menschen, die diesen Job ausüben. Die mediale Dominanz alter Klischees schürt Misstrauen. Das merkt man auch beim Smalltalk: Wer gibt schon auf einer Party zu, als Escort zu arbeiten? Der Gedanke: Wer sowas macht, muss ein Problem haben.

Hinter vielen Darstellungen steckt mehr Sensation als Wahrheit – das erzeugt ein Klima, in dem Fakten kaum eine Chance haben. Die echte Komplexität – zum Beispiel der Wunsch nach flexibler Arbeit, Selbstbestimmung, Abenteuer oder finanzielle Unabhängigkeit – verschwindet. Wenig beachtet wird auch, wie sich Medienbilder auf das Selbstbild der Escorts auswirken können. Laut einer Hamburger Studie von 2021 sagen 49 Prozent der befragten Sexarbeiter:innen, dass sie sich wegen medialer Vorurteile zurückziehen und ihre Tätigkeit verstecken. Das schadet Lebensläufen, Freundschaften und führt zu Isolation.

Interessant dabei: In Foren wie JOYclub diskutieren Escorts seit Jahren unter sich und mit Kunden, wie sie den medialen Umgang erleben. Viele berichten, dass offene und realistische Medienformate ein echtes Bedürfnis sind – nicht für den Glamourfaktor, sondern für mehr Respekt im Alltag. Meine Katze Mila übrigens ignoriert diese Debatte. Aber für die Menschen, um die es geht, ist der Wunsch nach weniger Vorurteil klar spürbar.

Der Wandel im Reality-TV und auf Social Media

Der Wandel im Reality-TV und auf Social Media

In den letzten Jahren bekommen wir, dank Social Media, endlich andere Perspektiven zu sehen. Instagram, TikTok und YouTube schaffen Raum für Menschen, die sonst ausgespart wurden. Escorts berichten von ihrem Alltag, von lustigen Begegnungen, manchmal auch von schwierigen Momenten. Die Macher*innen der erfolgreichen Webserie „Just an Escort“ (2021) wollten mit Tabus aufräumen. In einer Folge erklärt eine Protagonistin, warum sie den Job spannend und selbstbestimmt findet. Mehr als 300.000 Klicks in wenigen Wochen zeigen klar: Das Interesse ist da.

Plötzlich entdeckt die Medienwelt, dass Escorts nicht wie aus „Pretty Woman“ ums Stadtviertel stromern, sondern häufig als Unternehmerinnen, Coaches oder Bloggerinnen arbeiten. Die Instagram-Kanäle von Escorts wie „Alex Berlin Escort“ oder „Lena Lustig“ steigen in der Reichweite. Viele geben dort Tipps: Wie bleiben Klienten und Begleiter*innen sicher? Worauf sollte man als Neueinsteiger*in achten? Es kreist nicht nur alles ums Sexuelle. Es geht auch um Themen wie Kommunikation, emotionale Arbeit, Selbstschutz und Steuern.

Reality-Formate reagieren darauf: In Sat.1 lief 2023 erstmals die Reality-Show „Die wahren Gesichter – Escorts erzählen“, in der echte Escorts ihre Geschichten erzählen dürfen. Kein Drehbuch, keine künstlichen Skandale, sondern unausweichlich echte Storys. Das Feedback fiel gemischt aus. Einige Zuschauer:innen empfanden das Format als „befreiend ehrlich“, andere schrieben in Foren, es fehle „der Nervenkitzel“. Und da steckt das Problem: Wer jahrelang auf Sensationskost geprägt ist, der vermisst beim echten Leben meist das Drama – dabei ist gerade die Normalität so spannend.

Influencerinnen wie „Lena Lustig“ starten regelmäßig Q&A-Runden und räumen mit Vorurteilen auf. Häufigste Fragen: Was verdienen Escorts wirklich? Wie ist das Verhältnis zu den Kunden? Wie sagen die Familien dazu? Lena berichtet offen von Herausforderungen wie Diskriminierung im Freundeskreis oder Schwierigkeiten mit dem Finanzamt. Einige Zuschauer:innen fragen, wie man den Job psychisch gesund durchführen kann – Themen, die im linearen Fernsehen kaum zur Sprache kommen.

Tipps für den Umgang mit Medienbildern – so bekommst du einen realistischeren Blick

Viele Menschen holen sich ihre Meinungen aus Fernsehen und Social Media. Aber wie trennt man Klischee von Realität? Weil ich weiß, wie schwer das manchmal ist, habe ich ein paar knackige Tipps zusammengestellt:

  • Traue nicht jeder Headline: Eine knackige Überschrift will Klicks generieren, oft hilft nur, tiefer zu lesen und verschiedene Quellen zu prüfen.
  • Nicht alles ist „typisch“: Serien und Reality-Shows zeigen gern Extreme, weil das spannend aussieht – das Alltagsleben ist meist vielschichtiger.
  • Frage echte Betroffene: In Foren wie JOYclub oder auf Instagram findest du Menschen, die offen über ihre Erfahrungen sprechen. Höre und lese ruhig mal mit.
  • Male keine Schablonen: Die Branche ist vielfältig, genauso wie ihre Kundschaft. Pauschale Urteile helfen niemandem weiter.
  • Denke an die Hintergründe: Warum entscheidet sich jemand für die Arbeit als Escort? Geld, Selbstbestimmung, Abenteuer? Es gibt selten nur einen Grund.
  • Suche nach Fakten statt Skandalen: Manche Medien leben von Tabus und Sensationen – aber echte Statistiken finden sich z.B. bei Aidshilfe oder in wissenschaftlichen Publikationen.
  • Neugier statt Verurteilung: Fragen zu stellen und offen zu sein bringt mehr als lästern oder spotten.

Wer sich mit dem Thema beschäftigt, entdeckt schnell: Die Realität von Escorts in Deutschland ist weder ein sündiges Märchen noch ein krimineller Abgrund, sondern eine ziemlich menschliche Mischung aus vielen Facetten. Es lohnt sich, mal hinter die Kamera und das Scheinwerferlicht zu blicken, egal ob bei Netflix oder in den Insta-Storys.